METEOR-Expedition „BioChemUpwell“ nimmt Auftriebsgebiete in der Ostsee unter die Lupe

Rostock/Leipzig, 23.07.2015

Chemikerinnen des TROPOS untersuchen dabei Austauschprozesse zwischen Meer und Atmosphäre

Am 23. Juli 2015 sticht die FS METEOR zu ihrer zweiten großen Forschungsfahrt in diesem Jahr in See. Der erste Abschnitt der insgesamt gut viermonatigen Expedition mit Starthafen Hamburg führt das deutsche Hochseeforschungsschiff für einen knappen Monat in die Ostsee. Unter Federführung des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) stehen hier biochemische Prozesse in Auftriebsgebieten im Gotlandbecken und im Finnischen Meerbusen im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Austauschprozesse zwischen Meereswasser, Oberflächenfilm und Atmosphäre. Auf diesem Gebiet kooperieren das IOW, das Oldenburger Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) und das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) bereits seit langem. 

 

Auftrieb ist ein Prozess, bei dem, angeregt durch bestimmte Windbedingungen, Tiefenwasser an die Meeresoberfläche gelangt. Die Unterschiede zwischen diesem und dem Oberflächenwasser sind deutlich: Abgeschirmt von Sonnenenergie ist das Tiefenwasser kälter. Außerdem führt es Nährstoffe und andere gelöste Substanzen mit sich, die am Meeresgrund vor allem durch mikrobielle Zersetzung organischer Substanz freigesetzt wurden. Das Oberflächenwasser ist jetzt im Sommer dagegen erwärmt und an Nährstoffen verarmt. „Auftriebsgebiete treten in der Ostsee häufig auf, existieren aber mitunter nur für wenige Tage. Für die Meeresforschung sind sie besonders spannende ‚Hotspots‘, an denen in kurzer Zeit sehr viel passiert. Denn hier werden – nicht nur durch niedrigere Temperaturen, sondern vor allem über den Nachschub an Nährstoffen – kurzfristig und auf engem Raum die Bedingungen für die Lebensgemeinschaften, aber auch für den Austausch zwischen Meer und Atmosphäre maßgeblich beeinflusst“, kommentiert Günther Nausch den Forschungsfokus der METEOR-Fahrt 117 mit dem Titel „BioChemUpwell“. Der langjährige Experte für Meereschemie und Stoffkreisläufe am IOW verantwortet neben Fahrtleiter Oliver Wurl vom Oldenburger Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) die wissenschaftliche Koordination der Fahrt. „Um möglichst viele Facetten der Auftriebsereignisse wissenschaftlich zu bearbeiten, haben sich daher fünf Projektgruppen aus drei Forschungsinstituten zusammengeschlossen, um die Synergien einer solchen gemeinsamen Expedition optimal zu nutzen“, so Nausch.   

 

Insgesamt 26 ForscherInnen, darunter 20 vom IOW, bilden die wissenschaftliche Besatzung für die METEOR-Fahrt 117. Auf die Zusammenhänge zwischen den mit kaltem Tiefenwasser aufsteigenden Pflanzennährstoffen, insbesondere Phosphor, und der Entwicklung von potenziell toxischen und daher für Mensch und Tier gefährlichen Cyanobakterien-Blüten konzentriert sich die IOW-Projektgruppe 1. Die Ergebnisse sollen eine bessere Vorhersage solcher Cyanobakterien-Massenentwicklungen ermöglichen. Gruppe 2 vom ICBM untersucht, inwieweit CO2-angereichertes Tiefenwasser Kohlenstoffflüsse und Primärproduktion an der Oberfläche beeinflusst. Mit speziell für die Expedition entwickelten Probenahmevorrichtungen und hochentwickelter Sensorik sollen In-situ-Untersuchungen an marinen Oberflächenfilmen zum CO2-Austausch zwischen Meer und Atmosphäre durchgeführt werden. Dazu wird ein  Katamaran mit elektrischen Außenbordmotoren, in-situ Sensorik und einer Fernsteuerungseinheit zum Einsatz kommen.

 

Auch Gruppe 3 vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig nimmt die Grenzschicht zwischen Meer und Atmosphäre in den Blick und untersucht den Einfluss von Auftriebsgebieten auf die Zusammensetzung von Aerosolen, da diese klimarelevanten Schwebepartikel maßgeblich von der Art der vorhandenen Oberflächenfilme beeinflusst werden. Dazu nehmen Dr. Manuela van Pinxteren vom TROPOS und ihre Kollegen kontinuierlich Aerosolproben aus der Luft, um später die chemische Zusammensetzung mit den Proben aus dem Wasser vergleichen zu können.  „Uns interessiert besonders die Zusammensetzung der Aerosole über diesen Auftriebsgebieten, da sich dort die marinen Oberflächenfilme stärker ausbilden und wir hoffen, so leichter diese Wechselwirkungen zwischen Meereswasser und den Luftschichten darüber verstehen zu können“, so van Pinxteren. Ozeane bedecken zwei Drittel der Oberfläche der Erde. Trotzdem ist das Wissen über die vielfältigen Austauschprozesse zwischen Meer und Atmosphäre immer noch relativ gering. Organische Stoffe, die aus dem Meerwasser als Gase in die Atmosphäre gelangen, spielen offenbar eine Schlüsselrolle, weil sie dazu beitragen können, dass sich in der Atmosphäre winzige Partikel aus Gasen bilden, an denen später Wasser kondensiert. Diese Tropfen bilden dann Wolken und nehmen so Einfluss auf Niederschläge und Temperaturen der Erde.  

 

Gruppe 4 unter Leitung des IOW untersucht zum einen die Quellen von organischen Quecksilberverbindungen in sauerstoffarmen tieferen Wasserschichten. Darüber hinaus wird untersucht, wie sich der auftriebsbedingte Aufwärtstransport auf diese Substanzen auswirkt und beispielsweise zu einem Austausch von flüchtigen Quecksilberverbindungen mit der Atmosphäre und damit zur erhöhten Bioverfügbarkeit dieser Umweltgifte führen kann. Gruppe 5, ebenfalls unter IOW-Leitung, untersucht, wie sich der Energieumsatz innerhalb von Zooplankton-gemeinschaften in Abhängigkeit von der Qualität ihrer Nahrung verändert. Solche variablen Nahrungsqualitäten können auch durch Auftriebsereignisse entstehen, da sie entscheidend die Zusammensetzung des Phytoplanktons bestimmen, von denen sich Zooplanktonorganismen ernähren. Die IOW-Projektgruppe 6 schließlich ist während der Expedition verantwortlich für die Datenerhebung innerhalb verschiedener Langzeitmessprogramme. In unterschiedlichen Tiefen werden Daten zu Temperatur, Salzgehalt, Nährstoffkonzentrationen, Sauerstoff- und Chlorophyllgehalt sowie zur Phytoplankton- und Zooplankton-Zusammensetzung im Meerwasser erfasst.  

 

Die aktuelle METEOR-Fahrt führt in das östliche Gotlandbecken und in den Finnischen Meerbusen. Die Fahrtroute ist dabei auf gewissen Abschnitten flexibel, da das Auftreten des Auftriebs nicht vorhergesagt werden kann. „Aufschluss über die aktuelle Position von Auftriebsgebieten liefern uns zum einen unsere Routineuntersuchungen an Bord, mit denen wir das Tiefenwasser durch seine gegenüber dem Oberflächenwasser unterschiedlichen Parametern erkennen können. Zusätzlich arbeiten wir eng mit IOW-Kollegen der Arbeitsgruppe Fernerkundung an Land zusammen, die uns mittels Satellitenbildern zur Wasseroberflächentemperatur über kurzfristig auftretende Oberflächenabkühlungen der Ostsee informieren, die typischerweise Auftriebsgebiete anzeigen“, erläutert Günther Nausch. Ihren Abschluss findet der Fahrtabschnitt 117 am 17. August 2015 in Rostock, wo die wissenschaftliche Crew für diesen Teil der Expedition von Bord geht. Anschließend führen drei weitere Fahrtabschnitte die METEOR in den Atlantik mit Zielhafen Walvis Bay/Namibia.    

 

Weitere Informationen

zur FS METEOR unter: http://www.portal-forschungsschiffe.de & https://www.ldf.uni-hamburg.de/meteor/wochenberichte/wochenberichte-meteor/m117-m120/expeditionsheft-117-120.pdf

Die METEOR-Fahrt M117 „Biochemische Prozesse in Auftriebsgebieten und deren horizontalen Gradienten in der Ostsee (BioChemUpwell)“ wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).  

zu den Untersuchungen zum Oberflächenfilm:

20.000 Liter Meerwasser für ein Gasaustausch-Experiment (Pressemitteilung vom 21.11.2014) http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/20000-liter-meerwasser-fuer-ein-gasaustausch-experiment/

Wolkenmacher im Oberflächenfilm der Meere (Pressemitteilung vom 05.03.2014) http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/wolkenmacher-im-oberflaechenfilm-der-meere/    

 

Weitere Infos:

Dr. Manuela van Pinxteren/ Prof. Dr. Hartmut Herrmann, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), z.Z. nur via Email, siehe http://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/manuela-van-pinxteren/ & https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/hartmut-herrmann/

sowie

Presse und Öffentlichkeitsarbeit IOW: Dr. Kristin Beck, Tel.: 0381 – 5197 135 & Dr. Barbara Hentzsch, Tel.: 0381 – 5197 102 , http://www.io-warnemuende.de/news.html

oder

Presse und Öffentlichkeitsarbeit TROPOS: Tilo Arnhold, Tel. +49-341-2717-7189 , http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/      

 

Das Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) sind Mitglieder der Leibniz- Gemeinschaft, die 89 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen   u.a. in Form der WissenschaftsCampi  , mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,64 Milliarden Euro. http://www.leibniz-gemeinschaft.de    

FS METEOR in der Ostsee

Im Juli und August 2015 ist das deutsche Hochseeforschungsschiff METEOR wieder in der Ostsee unterwegs. Forschungsfokus diesmal: die Biochemie von Auftriebsgebieten.
Foto: IOW / Ralf Prien

Archivbild: Luftprobennahme auf Polarstern-Fahrt PS83

Wie auch bei früheren Expeditionen (im Bild hier die Polarstern-Fahrt PS83) wird auch auf der METEOR ein PM1-Probennehmer mit hohem Volumendurchfluss wird für Sammlung von Aerosolpartikeln eingesetzt und ein Berner-Impaktor für die größenaufgelöste Probennahme von Partikeln.
Foto: Tilo Arnhold/ TROPOS

Archivbild: Luftprobennahme auf Polarstern-Fahrt PS83

Susanne Fuchs vom TROPOS beim Wechseln der Filter (im Bild hier während der Polarstern-Fahrt PS83). Auf diese Weise kann später im Labor die chemische Zusammensetzung der Luftproben analysiert werden.
Foto: Tilo Arnhold/ TROPOS

Luftprobennahme auf METEOR-Fahrt M117

Luftprobennahme auf METEOR-Fahrt M117. Die Messgeräte des TROPOS während des Auslaufens aus dem Hamburger Hafen.
Foto: Manuela van Pinxteren/ TROPOS

Archivbild: Luftprobennahme auf Polarstern-Fahrt PS83

Susanne Fuchs vom TROPOS beim Wechseln der Filter (im Bild hier während der Polarstern-Fahrt PS83). Auf diese Weise kann später im Labor die chemische Zusammensetzung der Luftproben analysiert werden.
Foto: Tilo Arnhold/ TROPOS