Wolkentürme über dem Amazonas

Leipzig, 07.10.2014

Leipziger Wissenschaftler untersuchen mit dem Forschungsflugzeug HALO erfolgreich Wolken und Niederschlag über dem brasilianischen Regenwald

 

Gemeinsame Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Leipzig

 

„Bitte anschnallen. Wir durchfliegen gerade ein Gebiet mit starken Turbulenzen.“ Was so manchen Fluggast in Schrecken versetzen würde, erfreute im vergangenen Monat Atmosphären- und Klimaforscher aus Deutschland, Brasilien und Israel. Im Rahmen einer groß angelegten Expedition erkundeten mehr als 60 Wissenschaftler hoch aufsteigende Wolkentürme über dem Amazonas-Regenwald mit Hilfe des Forschungsflugzeugs HALO. Ziel der ACRIDICON-CHUVA-Messkampagne war es, herauszufinden, wie Gase und Aerosolpartikel, Wolkentropfen und -eiskristalle, Wind und Sonnenstrahlung in der Atmosphäre wechselwirken, und so die Entstehung und Eigenschaften von Wolken und Niederschlag sowie deren Auswirkung auf das Klima beeinflussen.

 

Um das zu untersuchen, flogen die Forscher vom brasilianischen Manaus aus in 14 Messflügen von etwa sieben Stunden Dauer über dem Regenwald bis zu 16 Kilometer hoch in die Atmosphäre. Dabei flog das Flugzeug oft direkt in sogenannte konvektive Wolken ein, wie Meteorologen aufsteigende Regen- und Gewitterwolken bezeichnen. Mit an Bord hatten die Wissenschaftler eine Kombination neuartiger und leistungsfähiger Messinstrumente, um die Zusammensetzung und die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Luft und Wolken zu bestimmen.

 

Besondere Aufmerksamkeit galt den Unterschieden zwischen Wolken in reiner Luft über dem Regenwald und in verschmutzter Luft über der Millionenstadt Manaus und Brandrodungsgebieten.

 

„Wir wollen unter anderem verstehen, welchen Einfluss die Luftverschmutzung auf die Bildung von Wolken hat“, sagt Meinrat O. Andreae vom Max-Planck-Institut für Chemie aus Mainz. „Wenn große Waldgebiete abgebrannt werden, entstehen riesige Mengen an Rauchpartikeln, die hoch in die Atmosphäre steigen und dort die Wolkenbildung beeinflussen.“ „Verschmutzte Wolken enthalten um ein Vielfaches mehr, aber dafür kleinere Wassertröpfchen als saubere Wolken“, erläutert Manfred Wendisch vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig die ersten Ergebnisse der Messkampagne. Verschmutzte Wolken bilden daher weniger schnell Regen und erscheinen heller, da kleinere Tröpfchen mehr Sonnenlicht reflektieren als große.

 

„Auf den ACRIDICON-CHUVA-Flügen mit HALO konnten wir erstmals die chemische Zusammensetzung und mikrophysikalischen Eigenschaften der Wolkenteilchen, Aerosolpartikel und Spurengase in hochreichenden konvektiven Wolken simultan messen und umfassend charakterisieren“, sagt Ulrich Pöschl vom Max-Planck-Institut für Chemie, der das Forschungsprojekt gemeinsam mit Meinrat Andreae, Manfred Wendisch und Luiz Machado vom brasilianischen Forschungsinstitut INPE koordiniert. „Dadurch wird es möglich, den Prozess der Wolkenentstehung genauer zu erfassen und die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf Wetter und Klima besser zu verstehen und vorherzusagen.“ Für quantitative Aussagen, wie sich die beobachteten Effekte auf das Klima im Amazonas-Regenwald und weltweit auswirken, ist es jedoch noch zu früh, da die Forscher die riesigen Datenmengen erst vollständig analysieren und auswerten müssen.

 

Neben der Begeisterung für die einzigartigen wissenschaftlichen Daten, die das Forschungsflugzeug HALO auf seinem fünfwöchigen Auslandseinsatz sammelte, freuten sich alle Beteiligten darüber, dass die Messkampagne nach jahrelangen Vorbereitungen trotz schwieriger logistischer Bedingungen erfolgreich durchgeführt werden konnte, was ohne die enge Zusammenarbeit mit den brasilianischen Partnern nicht möglich gewesen wäre. So gab es trotz herausfordernder tropischer Temperaturen und Turbulenzen zwar viel Wartungsarbeit an Flugzeug und Messinstrumenten zu bewältigen, aber keine größeren technischen Ausfälle. Und auch alle mitfliegenden Wissenschaftler landeten wieder wohlbehalten auf der Erde.

 

Über die ACRIDICON-CHUVA-Messkampagne

Die Abkürzung steht für „Aerosol, Cloud, Precipitation, and Radiation Interactions and Dynamics of Convective Cloud Systems (ACRIDICON)” und das brasilianische Wort “Regen” (CHUVA).

 

Zahlreiche Bilder und ein Tagebuch der ACRIDICON-CHUVA-Messkampagne finden sich auf folgenden Webseiten:

www.uni-leipzig.de/~meteo/acridicon-chuva/

http://acridicon-chuva.weebly.com/

Das deutsch-brasilianische ACRIDICON-CHUVA-Forschungsprojekt erfolgt in enger Kooperation mit dem brasilianischen Regenforschungsprojekt CHUVA, dem US-amerikanisch-brasilianischen Atmosphärenforschungsprojekt GO-Amazon und dem internationalen Amazonasforschungsprojekt LBA:

http://chuvaproject.cptec.inpe.br/portal/noticia.ultimas.logic?i=en

http://science.energy.gov/~/media/ber/pdf/Brochures/GOAMAZON_summary.pdf?id=27

https://lba.inpa.gov.br/lba/lba_ingles/?p=19&lg=eng

 

Zu den direkt an ACRIDICON-CHUVA beteiligten Institutionen gehören:

Das Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC), die Universität Leipzig, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Forschungszentrum Jülich (FZJ), das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die Universität Frankfurt, die Universität München, die Universität Heidelberg und die Universität Mainz aus Deutschland. Die Beiträge der universitären Partner werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Weiterhin beteiligt sind die Hebrew University of Jerusalem aus Israel sowie das Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE), die Universidade de São Paulo (USP), das Centro Técnico Aeroespacial (CTA), die Sistema de Proteção da Amazônia (SIPAM) und das Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (INPA) aus Brasilien.

 

Über das Forschungsflugzeug HALO

HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) ist ein deutsches Forschungsflugzeug zur wissenschaftlichen Untersuchung der Erdatmosphäre. Es ermöglicht Messungen in den für das Leben auf der Erde so bedeutsamen Höhenschichten der Atmosphäre in bisher unerreichter Qualität. Die Untersuchungen leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Ozonchemie und dem Austausch von Luftschadstoffen. HALO führt vor allem Messungen in der Troposphäre und der unteren Stratosphäre durch und wird auch zur Erdbeobachtung eingesetzt. Betrieben wird das Flugzeug vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR.

Zu den Forschungsschwerpunkten von HALO zählen Untersuchungen zu

  • der für das Klima und die Ausbildung von Extremwetterereignissen wichtigen Niederschlagsbildung einschließlich des vertikalen Transports von Feuchte und Wolkenwasser,
  • den Selbstreinigungsprozessen in der Atmosphäre sowie
  • den chemischen und dynamischen Prozesse im Übergangsbereich zwischen Troposphäre und Stratosphäre

 

Kontakte

Prof. Dr. Meinrat O. Andreae und Prof. Dr. Ulrich Pöschl, Max-Planck-Institut für Chemie (Otto Hahn-Institut)

Telefon: +49-(0)-6131-305-6000

http://www.mpic.de/forschung/biogeochemie/profil-meinrat-o-andreae.html http://www.mpic.de/forschung/biogeochemie/gruppe-poeschl/mitglieder/ulrich-poeschl.html

und

Prof. Dr. Manfred Wendisch, Leipziger Institut für Meteorologie / Universität Leipzig

Tel.: 0341/97-32851

http://www.uni-leipzig.de/~meteo/de/wendisch/index.php

sowie für das TROPOS:

Dr. Stephan Mertes, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V. (TROPOS)

Tel. 0341-2717-7143

http://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/technologie-am-tropos/physikalische-instrumente/virtueller-gegenstrom-impaktor-cvi/

Blick in das Innere des Forschungsflugzeugs HALO. Konzentriert verfolgen die Wissenschaftler den Verlauf ihrer Messungen. Foto: Meinrat O. Andreae

Vom Cockpit des Forschungsflugzeugs HALO aus erkennt man in Flugrichtung auf die Wolken eine Sonde zur Vermessung der Luftströmung. Foto: Meinrat O. Andreae

Unter den Tragflächen des Forschungsflugzeugs HALO befinden sich Sonden, um die Eigenschaften von Aerosolen und Wolkenteilchen zu bestimmen. Foto: Manfred Wendisch

Mehrmals überflogen die Forscher Urwaldgebiete wie hier in der Nähe von Manaus, die abgebrannt werden. Man erkennt, wie aus einem Brandrodungsfeuer eine Rauchwolke aufsteigt und zu einer Pyrocumulus Wolke anwächst. Foto: Manfred Wendisch