Quellbestimmung abgehobener Aerosolschichten mit Trajektorien- und Partikeltransportrechnungen

Motivation

Aerosolpartikel werden nur zu einem geringen Anteil direkt vor Ort gebildet. Dies kann zum einen durch Dispersion von Boden- oder Pflanzenmaterial und zum anderen durch die Bildung von Aerosolpartikeln aus der Gasphase (Nukleation) geschehen.

Vor allem in der freien Troposphäre, oberhalb der planetaren Grenzschicht, gibt es üblicherweise keine Aerosolquellen. Vielmehr dominieren hier Ferntransportprozesse, welcher Typ und wieviel Aerosol sich an einem Ort befindet.

Um die Quellen dieser freien troposphärischen Aerosolschichten ausfindig zu machen, werden am TROPOS  Trajektorien- und/oder Partikeltransportmodelle eingegesetzt, die mittels Modellrechnungen deren wahrscheinlichen Ursprungsort ermitteln.

Methodik

Abgehobene Aerosolschichten können vor allem mit Lidarmessungen detektiert werden. In den Lidarmessungen zeichnen sich die Aerosolschichten deutlich im Vertikalprofil des empfangenen Signals ab. Aus einer Lidarmessung erhält man somit Auftrittszeit, -ort und -höhe der beobachteten Aerosolschicht. Um herauszufinden, wo sich die Quelle der Aerosolschicht befindet und demzufolge was für Aerosole sie enthält, werden aus der Lidarmessung bestimmte Angaben zu Beobachtungszeit, -ort und –höhe der Aerosolschicht in ein Trajektorien- und/oder Partikeltransportmodell eingegeben.

In den Trajektorien- und Partikeltransportmodellen wird unter Verwendung meteorologischer Daten der Weg, den die betrachtete Aerosolschicht zurückgelegt hat, simuliert. Aussagen über den wahrscheinlichen Ursprungsort sind somit möglich.

Abb 1: HYSPLIT Rückwärtstrajektorie für Leipzig am 27. Mai 2008, 21:00 UTC. Ankunftshöhen der 3 Trajektorien sind 4200 m (rot), 4600 m (blau) und 5200 m (grün). Die Trajektorien weisen alle auf die Sahara als Ursprungsgebiet der Luftmasse hin.

Trajektorienmodelle

Das am häufigsten am TROPOS verwendete Trajektorienmodell ist das beim amerikanischen Wetterdienst frei verfügbare HYbrid Single-Particle Lagrangian Integrated Trajectory (HYSPLIT) Modell.

Unter Angabe eines Startortes, einer Starthöhe und einer Startzeit werden wahlweise sogenannte Rückwärts- oder Vorwärtstrajektorien berechnet. Während Vorwärtstrajektorien angeben, zu welchem Punkt sich ein Luftpaket bewegen wird, lieferen Rückwärtstrajektorien eine Aussage über den von einem Luftpaket bereits zurückgelegten Pfad.


Abbildung 1 zeigt drei mit HYSPLIT berechnete Rückwärtstrajektorien, die am 27. Mai 2008, 21:00 UTC über Leipzig gestartet wurden. Ankunftshöhen der 3 Trajektorien über Leipzig sind 4200 m (rot), 4600 m (blau) und 5200 m (grün). Die Rückwärtstrajektorien zeigen den Pfad an, den die Luftmassen in den letzten 120 Stunden zurückgelegt haben. Die Trajektorien weisen alle auf die Sahara als Ursprungsgebiet der Luftmasse hin.

Abb. 2: FLEXPART Partikeltransportrechnung, zur Quellbestimmung von Partikeln, die über Leipzig in einer Ankunftshöhe von 4 km bis 5.5 km beobachtet wurden. Die farbigen Flächen geben die akkumulierte Aufenthaltszeit von Partikeln wieder, die sich unterhalb von <2 km aufgehalten haben und am 27. Mai 2008 in 4-5.5 km Höhe über Leipzig beobachtet wurden. Als Quellregion kommt hauptsächlich die Sahara in Frage.

Partikeltransportmodelle

Am TROPOS ist das frei verfügbare, beim norwegischen Wetterdienst entwickelte Modell FLEXPART auf einem institutseigenen Server implementiert, um eigenständig Partikeltransportrechnungen durchführen zu können. Für die Modellläufe werden archivierte meteorologische Daten von NCEP FNL (National Centers for Environmental Prediction final analysis) Global Tropospheric Analyses mit einer zeitlichen Auflösung von 6 Stunden (00, 06, 12, 18 UTC) und einer horizontalen Auflösung von 1°x1° verwendet. Die FNL Daten werden zur Verfügung gestellt von CISL (Computational & Information Systems Laboratory) Research Data Archive der NCAR's (National Center for Atmospheric Research) data support section.

Im Gegensatz zu Trajektorienmodellen, die den Pfad eines einzelnen Luftpaketes wiedergeben, liefert ein Partikeltransportmodell die geografische Verteilung der Aufenthaltszeit der an einem Startpunkt beobachteten Aerosolpartikel als Summe über die letzten 10 Tage bis zur Beobachtung.


Abbildung 2 zeigt eine FLEXPART Rechnung, die anzeigt wo sich Partikel aufgehalten haben, die am 27. Mai 2008, 21:00 UTC zwischen 4000 und 5500 m Höhe über Leipzig beobachtet wurden. Dabei werden nur Partikel betrachtet, die sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den vergangen 10 Tagen in Höhen unterhalb von 2 km aufgehalten haben. Unterhalb dieser Höhe ist es sehr wahrscheinlich, dass die Partikel Kontakt mit der planetaren Grenzschicht hatten und deshalb Aerosol aus der betreffenden Region beinhalten. Man erkennt in Abbildung 2, dass sich ein hoher Anteil der Partikel lange Zeit über der Sahararegion aufgehalten hat. Ein weitererer, geringerer Anteil stammt allerdings auch aus der Atlantikregion.

Messbeispiel

Abbildung 3 zeigt eine am 27. Mai 2008 von 20:23 bis 21:30 UTC am TROPOS durchgeführte Lidarmessung. In Höhen zwischen 7 und 8 km ist eine stark streuende (rot eingefärbt) Cirruswolke zu erkennen, die während des gesamten Messzeitraums beobachtet wurde. Zwischen dem Boden und ca. 6 km Höhe erkennt man eine sehr homogene Aerosolschicht (orangene Farbtöne). Für dieses Messbeispiel wurden die in Abbildungen 1 und 2 gezeigten Trajektorien- und Partikeltransportrechnungen durchgeführt. Beide Berechnungsmethoden weisen auf die Sahara als Quelle für das Aerosol hin. Es handelt sich bei der beobachteten Luftmasse also sehr wahrscheinlich um mineralischen Wüstenstaub, der nach Deutschland transportiert wurde.

Abb. 3: Lidarmessung vom 27. Mai 2008, 20:24-21:30, durchgeführt am TROPOS. Zu erkennen sind Cirruswolken zwischen 7 und 12 km Höhe, sowie eine mächtige Aerosolschicht zwischen ca 1 km und 6 km Höhe.

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