Aralsee hat Zentralasien deutlich staubiger werden lassen

Leipzig, 17.04.2024

Studie von TROPOS und FU Berlin vergleicht Staubemissionen in den 1980er und 2010er Jahren

 

 

Leipzig. Das Austrocknen des Aralsees hat Zentralasien in den letzten 30 Jahren um 7 Prozent staubiger gemacht. Zwischen 1985 und 2015 haben sich die Staubemissionen aus der wachsenden Wüste von 14 auf 27 Millionen Tonnen nahezu verdoppelt. Das geht aus einer Studie des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und der Freien Universität Berlin hervor. Die Staubmengen seien bisher wahrscheinlich unterschätzt worden, weil zwei Drittel bei bewölktem Himmel aufgewirbelt werden und deshalb von traditionellen Satellitenbeobachtungen unbemerkt bleiben, berichten die Forschenden auf der Second Central Asian DUst Conference (CADUC-2), die vom 15.-22. April 2024 im usbekischen Nukus am ehemaligen Aralsee stattfindet. Der Staub gefährdet nicht nur die Bewohner in der Region, sondern beeinflusst auch die Luftqualität in den Hauptstädten von Tadschikistan und Turkmenistan. Dazu kommt, dass er das Schmelzen der Gletscher beschleunigen und damit die Wasserkrise in der Region verstärken kann.

 

Bis Anfang der 1960er Jahre war der Aralsee in Zentralasien mit einer Fläche von 68.000 Quadratkilometern der viertgrößte See der Erde – gespeist über die Flüsse Amudarya und Syrdarya aus den Hochgebirgen Pamir und Tienschan. Durch die exzessive Nutzung der Flüsse zur Bewässerung der Landwirtschaft gelangte immer weniger Wasser in den See. Die Folge: Riesige Flächen trockneten aus, der See schrumpfte auf einen Bruchteil zusammen und der überwiegende Teil wurde zu einer Wüste. Die Aralkum-Wüste gilt inzwischen als eine der bedeutendsten vom Menschen verursachten Staubquellen der Erde.  Mit 60.000 Quadratkilometern ist diese neue Wüste zwar deutlich kleiner als die benachbarten natürlichen Wüsten Karakum (350.000 Quadratkilometer) im Süden von Turkmenistan und Kyzylkum (300.000 Quadratkilometer) im Südosten von Usbekistan und Kasachstan. Aber der Staub aus der Aralkum-Wüste gilt als deutlich gefährlicher, weil er Rückstände von Düngemitteln und Pestiziden aus der früheren Landwirtschaft enthält.

 

Der Aralsee ist nicht der einzige See in Zentralasien und den Nahen Osten, der in den letzten Jahrzehnten dramatisch geschrumpft ist. Auch der Urmia-See im Nordwesten Irans und der Hamoun-See in der Grenzregion Iran-Afghanistan haben sich zu starken lokalen Staubquellen entwickelt. Diese Wüstenbildung hat daher große Auswirkungen auf Klima und Lebensbedingungen der Menschen in der Region. Entsprechend groß ist das Interesse der internationalen Wissenschaft, diese Prozesse besser zu verstehen, um künftige Trends bis hin zum globalen Klima besser abschätzen zu können.

 

Um die Auswirkungen des Staubs der Aralkum-Wüste abzuschätzen, nutzte das Team von TROPOS und FU Berlin das Atmosphären-Staub-Modell COSMO-MUSCAT, mit dem Emissionen, Konzentration in der Atmosphäre und Strahlungseffekte von Staubpartikeln simuliert werden. Eine Herausforderung dabei waren die wenigen Daten zum Boden und zu den Oberflächeneigenschaften in der Aralkum-Wüste. Die andere Herausforderung waren die unterschiedlichen Windrichtungen in verschiedenen Jahren. Wind aus westlichen Richtungen kann die Staubstürme dominieren, aber auch Nord, Ost und Süd spielen je nach Jahreszeit eine Rolle. Mit der Erwärmung der Arktis könnten Westwindströmungen im Winter noch häufiger werden mit Folgen für die Menschen östlich der Wüste: Im Jahresdurchschnitt geht momentan bereits bis zur Hälfte des Staubs nach Osten.

Besonders die Agrarflächen am Syrdarya  werden durch den Staub negativ beeinflusst, aber selbst in den großen Städten Zentralasiens wie Asgabat (Hauptstadt von Turkmenistan) und Duschanbe (Hauptstadt von Tadschikistan) ist der Staub noch zu spüren, auch wenn diese über 800 Kilometer entfernt sind.

 

Aufbauend auf der 2022 im Fachjournal „Journal of Geophysical Research: Atmospheres“ vorgestellten Modellierungsstudie für zentralasiatischen Staub untersuchte das Autorenteam um Jamie Banks von der FU Berlin und dem TROPOS anschließend die Auswirkungen des Aralkum-Staubes auf die Strahlungseffekte über Zentralasien, um den Einfluss von zunehmenden Staubstürmen auf das Klima besser zu verstehen. Mit Hilfe von COSMO-MUSCAT-Modellsimulationen wurden die direkten Strahlungseffekte (DREs) des Aralkum-Staubes quantifiziert und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Atmosphäre untersucht. Die zweite Studie ist als Preprint gerade im Diskussions- und Begutachtungsprozess des Open-Access-Journals „Atmospheric Chemistry and Physics“ (ACP) der European Geosciences Union (EGU).

 

Am Boden bewirkt Staub tagsüber eine Abkühlung, weil der das Sonnenlicht dimmt, und nachts eine Erwärmung, weil er die Wärmeausstrahlung des Bodens zurück emittiert. Der Netto-Strahlungseffekt von Staub kann daher kühlend oder wärmend sein, je nach Höhe des Staubs in der Atmosphäre, der Tageszeit, der Jahreszeit, der Oberflächenalbedo und den genauen mineralogischen und optischen Eigenschaften des Staubs. „Betrachtet man die Veränderungen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, so hat die annähernde Verdopplung der Staubemissionen über der Aralsee/Aralkum-Region zu einer Zunahme sowohl der Strahlungskühlung als auch der Strahlungserwärmung an der Oberfläche und in der Atmosphäre geführt“, berichtet Dr. Jamie Banks. „Diese "neuen" Staubereignisse treten aber nicht das ganze Jahr über auf, sondern in Episoden im Juni, September, November, Dezember und März. Im Jahresmittel kühlt der der Aralkum-Staub wahrscheinlich sowohl an der Oberfläche als auch in der Atmosphäre, aber mit -0,05 ±0,51 Watt pro Quadratmeter nur minimal.“ Neben den Strahlungseffekten haben die Forschenden auch Hinweise gefunden, dass der Staub die Großwetterlagen verändern könnte: Aralkum-Staub erhöht den Luftdruck am Boden in der Aral-Region um bis zu +0,76 Pascal auf der monatlichen Zeitskala, was eine Verstärkung des sibirischen Hochs im Winter und eine Abschwächung des zentralasiatischen Wärmetiefs im Sommer bedeutet. Da viele Fragen rund um die Klimawirkungen des Staubs noch offen sind, empfehlen die Forschenden die optischen Eigenschaften dieses Staubes detaillierter zu untersuchen. Deren Kenntnis verbessert die satellitengetragene und damit großflächige Fernerkundung des Mineralstaubs. Dieser Herausforderung widmet sich in den kommenden Jahren die Leibniz-Nachwuchsgruppe „OLALA“ (Optical Lab for Lidar Applications), die 2023 am TROPOS in Leipzig gegründet wurde.

 

Die Studien unterstreichen, dass zunehmende Wüstenbildung durch Austrocknung nicht nur ein lokales Problem ist, sondern großen Regionen betrifft. Im Nahen Osten und Zentralasien breiten sich Wüsten besonders stark aus. Dazu trägt auch der Rückgang der Gletscher in den Hochgebirgen bei. Die neuen Daten zur Staubquelle Aralsee helfen, den Einfluss des Wüstenstaubs auf das Klima besser abzuschätzen. Tilo Arnhold

 

 

 

 

Publikationen:

 

Banks, J. R., Heinold, B., & Schepanski, K. (2024). A regional modelling perspective on the impacts on Central Asia of dust emitted from the Aralkum, the desiccated lakebed of the Aral Sea. Second Central Asian DUst Conference (CADUC-2; 18 Apr 2024). https://www.tropos.de/institut/abteilungen/fernerkundung-atmosphaerischer-prozesse-neu/ag-bodengebundene-fernerkundung/second-central-asian-dust-conference-caduc-2

 

Banks, J. R., Heinold, B., and Schepanski, K.: Radiative cooling and atmospheric perturbation effects of dust aerosol from the Aralkum Desert in Central Asia, EGUsphere [preprint], Discussion started: 05 Dec 2023. https://doi.org/10.5194/egusphere-2023-2772 , 2023. The research was funded by the German Research Foundation (DFG) within the DESERT-TIME project (Grant BA 6612/1-1, project number 414044717).

 

Banks, J. R., Heinold, B., & Schepanski, K. (2022). Impacts of the desiccation of the Aral Sea on the Central Asian dust life-cycle. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 127, e2022JD036618. https://doi.org/10.1029/2022JD036618 . Die Untersuchungen wurden von der Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Projektes DESERT-TIME (Grant BA 6612/1-1) gefördert.

 

 

 

Kontakte für die Medien:
 

Dr. Jamie Banks,
Abteilung Modellierung atmosphärischer Prozesse, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/jamie-banks

 

und
Dr. Bernd Heinold,
Abteilung Modellierung atmosphärischer Prozesse, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig
Tel. +49 341 2717-7052
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/bernd-heinold

 

und
Prof. Dr. Kerstin Schepanski,
Leiterin der AG Strahlung & Fernerkundung, Institut für Meteorologie, FU Berlin
Tel. +49 30 838 60 650
https://www.geo.fu-berlin.de/met/ag/strafern/Mitarbeiter_innen/KerstinSchepanski/index.html

 

oder
Tilo Arnhold, TROPOS-Öffentlichkeitsarbeit,
Tel. +49 341 2717-7189
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/

 

 

Weitere Informationen und Links:

 

Second Central Asian DUst Conference (CADUC-2), 15 - 22 April 2024, Nukus, Republic of Karakalpakstan, Uzbekistan:https://www.tropos.de/institut/abteilungen/fernerkundung-atmosphaerischer-prozesse-neu/ag-bodengebundene-fernerkundung/second-central-asian-dust-conference-caduc-2

When the Aral Sea Dried Up, Central Asia Became Dustier (EOS research-spotlights,  30 November 2022): https://eos.org/research-spotlights/when-the-aral-sea-dried-up-central-asia-became-dustier

Auswirkungen der Desertifikation auf die Strahlungswirkung von atmosphärischem Staub im Nahen Osten (DESERT-TIME): https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/414044717

DUSTRISK-Projekt "A risk index for health effects of mineral dust and associated Microbes": https://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/verbundprojekte/dustrisk

Central Asian DUst Conference (CADUC), 8-12 April 2019, Duschanbe, Tajikistan: https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/erste-staubkonferenz-im-wuestenguertel-der-erde > https://www.e3s-conferences.org/caduc-2019

OLALA – Ein neues Labor für die Atmosphärenforschung (Pressemitteilung, 26.09.2023): https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/olala-ein-neues-labor-fuer-die-atmosphaerenforschung

 

 

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.

Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

http://www.leibniz-gemeinschaft.de

https://www.bmbf.de/

https://www.smwk.sachsen.de/

 

Die Aralkum-Wüste gilt mit rund 60.000 Quadratkilometern inzwischen als eine der bedeutendsten vom Menschen verursachten Staubquellen der Erde.
Foto: Dietrich Althausen, TROPOS

Der Staub aus der Aralkum-Wüste gilt als gefährlich weil er auch Rückstände von Düngemitteln und Pestiziden aus der früheren Landwirtschaft enthält.
Foto: Dietrich Althausen, TROPOS

Zwischen 1985 und 2015 haben sich die Staubemissionen aus der wachsenden Aralkum-Wüste von 14 auf 27 Millionen Tonnen nahezu verdoppelt, so eine Studie des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und der Freien Universität Berlin.
Foto: Dietrich Althausen, TROPOS

Mit Hilfe von COSMO-MUSCAT-Modellsimulationen wurden die direkten Strahlungseffekte des Aralkum-Staubes quantifiziert und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Klima untersucht. Optische Eigenschaften von Staub will in kommenden Jahren die Leibniz-Nachwuchsgruppe „OLALA“ (Optical Lab for Lidar Applications) genauer untersuchen.
Foto: Dietrich Althausen, TROPOS