Das Wetter kennt keine Grenzen

Leipzig, 21.03.2022

Wissenschaftler:innen stellen in Leipzig neueste Erkenntnisse zu Wetter und Klima vor - darunter auch rund 30 Forschende vom TROPOS.

 

 

Auf der 8. Tagung der Meteorologischen Gesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH-MT 2022) präsentieren und diskutieren mehr als 350 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - darunter auch rund 30 Forschende vom TROPOS - sowie Fachleute aus der Praxis die neuesten Erkenntnisse und Fragen aus allen Bereichen der Meteorologie sowie der Klimaforschung. Die Tagung dauert bis zum 25. März 2022.

 

Welttag der Meteorologie im Zeichen von Krieg, Krisen und Konflikten
„Wir leben in Krisenzeiten. Das verdeutlicht uns täglich: Alles hängt mit allem zusammen, wir haben nur diese eine Erde, auf der wir gemeinsam leben. Deshalb ist internationale Zusammenarbeit, auch in der Meteorologie, so wichtig“, so Prof. Dr. Gerhard Adrian, Präsident der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) auf der Pressekonferenz der Meteorologie Tagung D-A-CH-MT 2022 anlässlich des Welttages der Meteorologie am 23. März 2022. Für die Meteorologie sei das seit Jahrzehnten eine bewährte Praxis. Denn jeder wisse: Das Wetter und das Klima kennen keine nationalen Grenzen. Adrian: „Nur mit ständig verfügbaren Beobachtungsdaten aus aller Welt sind hochwertige Wettervorhersagen und Warnungen vor Wettergefahren möglich. Ohne Klimadaten aus allen Kontinenten können wir nicht belastbar abschätzen, wie sich das Klima verändert und wir uns effizient darauf einstellen müssen.“ Deshalb unterstütze die WMO weltweit den Aufbau und die Finanzierung von Messnetzen, Wettervorhersagemodellen, Warnsystemen und Klimadienstleistungen – gerade in Entwicklungsländern. Ein Thema der Tagung ist daher auch die Erinnerung an die Meteorologiekonferenz vor 150 Jahren ebenfalls in Leipzig, die wichtige Grundlagen für den internationalen Datenaustausch zum Wettergeschehen gelegt hat und zusammen von deutschen, österreichischen und russischen Wissenschaftlern organisiert wurde.

Professorin Dr. Beate A. Schücking, Rektorin der Universität Leipzig und Gastgeberin der D-A-CH MT 2022, weist ergänzend auf unerlässliche Rahmenbedingung für freie Forschung hin: „Wissenschaftlicher Fortschritt ist nur möglich, wenn es gelingt, den Frieden zu erhalten, die Zusammenarbeit international weiter zu stärken und einen offenen gesellschaftlichen Rahmen für die freie Arbeit der Forschenden zu schaffen. Die Klimaforschung hat bei uns an der Universität Leipzig in den vergangenen Jahren einen großen Aufschwung erfahren. Forscherinnen und Forscher legen auch hier wichtige Grundlagen für unser zukünftiges Zusammenleben, etwa in der Erforschung der Rolle von Wolken im Klimawandel.“ Die D-A-CH MT 2022 setzt damit auch ein Zeichen für den Frieden in der Ukraine und verurteilt die kriegerische Aggression der russischen Führung.

Meteorologie hilft bei der Bewältigung von Krisen und Naturkatastrophen
Das 21. Jahrhundert ist bisher durch eine rasche Abfolge von immer komplexeren Krisen und Katastrophen gekennzeichnet. Mag. Dr. Gerhard Wotawa, Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Meteorologie (ÖGM), verweist auf die wichtige Rolle der Meteorologie bei der Krisenvorbereitung und Krisenbewältigung: „Egal ob es um die zunehmenden Unwetter aufgrund der menschengemachten Erwärmung geht, oder um Flüchtlingsströme wie derzeit in der Ukraine. Die operationelle Meteorologie liefert unverzichtbare Daten und Informationen, zum Beispiel bei der Warnung vor extremen Wetterereignissen sowie für den besseren Schutz vulnerabler Gruppen“. Frühwarnsysteme beschäftigen sich heute nicht nur mit Wetterproblemen, sondern informieren über die Auswirkungen und Kaskaden-Effekte. Dadurch werden Menschenleben gerettet und wirtschaftliche Schäden vermindert.

Klimakommunikation neuer Schwerpunkt bei der DMG
Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft gibt anlässlich der D-A-CH MT 2022 die Gründung eines Fachausschusses Klimakommunikation (FA KlimaKom) bekannt. Prof. Dr. Clemens Simmer, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft: „Es wird in den kommenden Jahren nicht mehr nur entscheidend sein, dass wir Entwicklungen im Klimasystem kommunizieren, sondern auch wie wir dieses tun. Denn wir beobachten, dass ein Teil der Gesellschaft quer durch die Bildungsschichten wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse nicht akzeptiert. Dies ist übrigens nicht nur bezüglich des Klimawandels, sondern auch in anderen Bereichen wie der Pandemie offensichtlich“. Dr. Hans Schipper, Vorsitzender des FA KlimaKom: „Die Pandemie und den Krieg zeigen uns, dass Information verlässlich sein muss – aber auch wie sensibel die Gesellschaft auf die Art ihrer Kommunikation reagiert. Und das gilt auch für die Klimakommunikation. Erkenntnisse aus der Klimaforschung können überfordernd wirken und somit dringend erforderliches Handeln bremsen. Der neugegründete DMG-Fachausschuss wird den Dialog mit der Gesellschaft zum Klimawandel neugestalten, indem er die DMG-Fachexpertise nutzt, um wissenschaftlich abgesicherte und zielgruppenorientierte Erkenntnisse verständlich und bürgernah zu kommunizieren. Zuhören ist dabei der erste Schritt, um gesellschaftlichen Akteuren maßgeschneiderte Informationen bieten zu können.“

Welttag des Wassers: Wasserkreislauf beschleunigt sich
Zum Welttag des Wassers weisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Bedeutung des Klimawandels für den Wasserkreislauf hin. Dr. Christina Schnadt Poberaj, Co-Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Meteorologie (SGM): „Genau wie viele andere Länder beobachten wir in der Schweiz bereits heute deutliche Verschiebungen im Wasserkreislauf: Die winterlichen Niederschlagssummen steigen, 90 % der Messstationen weisen eine Zunahme der Niederschlagsintensität auf (30 % eine statistisch signifikante Zunahme), ebenso ist ein Trend zu häufigeren Starkniederschlägen festzustellen. Das Schweizer Gletschervolumen hat sich seit 1850 um etwa 60 % reduziert, und insbesondere in den letzten 10 Jahren wurden steigende Permafrosttemperaturen gemessen. Im Sommer wird Trockenheit immer häufiger zum Problem. Die Auswirkungen betreffen viele Sektoren. Unsere Schweizer Klimaszenarien CH2018 zeigen klar, dass sich diese Entwicklungen auch in Zukunft fortsetzen werden, wir aber durch deutliche und umfassende Emissionsreduktionen noch gegensteuern können.“

Vor diesem Hintergrund spielt das noch junge Forschungsgebiet der Attributionsforschung eine große Rolle. Veränderungen des Klimas haben Einfluss auf jedes Wetterereignis. Die Attributionsforschung analysiert den Zusammenhang zwischen Veränderungen in den Randbereichen der Wahrscheinlichkeiten und dem Eintreten extremer Wetterereignisse. Prof. Dr. Friederike E. L. Otto, Grantham Institute for Climate Change and the Environment am Imperial College in London: „Wir sehen durch den Klimawandel eine Intensivierung des globalen Wasserkreislaufs. Mit steigenden Temperaturen kann die Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen; und da Wasserdampf viele Prozesse wie z. B. die Gewitterbildung befeuert, bedeutet das, dass wir intensivere Starkniederschläge, wie zuletzt im Ahrtal, beobachten. In den letzten 30 Jahren haben sich die Regenmengen bei Starkniederschlägen im Mittel um etwa 10 Prozent erhöht. Das bedeutet jedoch nicht“, so Otto, „dass wir überall mehr Regen zu erwarten haben. Die Änderungen sind regional unterschiedlich und andere Extreme verändern sich auch. In trockenen und vielen halbtrockenen Klimazonen nehmen auch Dürren zu, z. B. im Mittelmeerraum und südlichen Afrika.“ Frank Böttcher

 

Die D-A-CH-MT ist die bedeutendste Fachtagung für Meteorologie im deutschsprachigen Raum. Ziel der dreijährlich stattfindenden Tagung ist es, die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse zu diskutieren und den interdisziplinären wissenschaftlichen Dialog, auch mit Fachleuten aus Unternehmen und Behörden, zu stärken. Veranstalter sind die Meteorologischen Gesellschaften aus Deutschland (DMG), Österreich (ÖGM) und der Schweiz (SGM). Örtlicher Mitveranstalter ist in diesem Jahr das Leipziger Institut für Meteorologie der Universität Leipzig.

Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft e. V. (DMG) stellt sich heute als vielfältige Informationsplattform und Interessenvertretung für alle in dem inzwischen sehr breit gefächerten Feld der Meteorologie und der physikalischen Ozeanographie tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Fachleute aus der Praxis, aber auch für interessierten Laien dar. Ihr Ziel ist die Förderung und Wissensverbreitung von Meteorologie, aber auch Klimaforschung. Dazu veranstaltet sie Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen, gibt Publikationen heraus und nimmt zu grundlegenden, aktuellen Fragen der Meteorologie Stellung. (www.dmg-ev.de)

 

Kontakt:
Frank Böttcher, Medienbeauftragter der DMG
E-Mail: presse[at]dmg-ev.de
Deutsche Meteorologische Gesellschaft e. V., c/o Institut für Meteorologie, C.-H.-Becker-Weg 6–10, 12165 Berlin

 

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Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Das Finanzvolumen liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

http://www.leibniz-gemeinschaft.de
https://www.bmbf.de/
https://www.smwk.sachsen.de/

Auch während der Meteorologietagung sind Leipziger Meteorologinnen und Meteorologen auf einer Messkampagne im Einsatz. Mit dem Forschungsflugzeugen HALO, Polar 5 und Polar 6 vermessen sie Warmlufteinbrüche in die Arktis, von denen vermutet wird, dass sie den Klimawandel dort beschleunigen. Foto: Marlen Brückner, Univesität Leipzig