Nature: Leipziger Forschende fordern gemeinsame Agenda von Klima- und Biodiversitätsforschung

Leipzig, 30.11.2022

Pressemitteilung von iDiv und Universität Leipzig

 

 

Leipzig. Die Welt erlebt zwei Megatrends: Extreme Klimaereignisse nehmen in Ausmaß und Häufigkeit zu, während die Biodiversität abnimmt. Forscherinnen und Forscher der Universität Leipzig und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) bringen gemeinsam mit weiteren europäischen Einrichtungen ihre Sorge zum Ausdruck, dass sich diese beiden Trends gegenseitig verstärken könnten. Im Fachmagazin Nature fordern sie eine neue Forschungsagenda, die die Risiken von Klimaextremen und den Rückgang der Biodiversität verknüpft. Unter den Autor:innen ist auch Prof. Ina Tegen, die die Abteilung Modellierung atmosphärischer Prozesse am TROPOS und die gleichnamige Professur an der Universität Leipzig leitet.

 

Mittlerweile sind wir uns zunehmend darüber im Klaren, dass es einen Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und dem Verlust der Biodiversität gibt, auch wenn diesen Trends unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen. Wollen wir den einen besser verstehen, können wir den anderen dabei nicht außen vor lassen. Entsprechend fordern auch der Weltklimarat IPCC und der Weltbiodiversitätsrat IPBES ein gemeinschaftliches Vorgehen zur Untersuchung dieser miteinander verknüpften Themenfelder.

Ein hervorstechendes Merkmal des Klimawandels ist, dass Klimaextreme in zunehmender Häufigkeit und Intensität auftreten werden. Im Fachmagazin Nature hat eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von der Universität Leipzig, iDiv und weiteren europäischen Forschungseinrichtungen nun ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass dieser Prozess sich auch auf den Rückgang der Biodiversität auswirken wird. Dabei sei eine wichtige Frage derzeit noch nicht untersucht wurde, und zwar ob „immer stärkere Extreme, die zudem immer häufiger auftreten, auch die Verschlechterung und Angleichung der Ökosysteme beschleunigen, und wird dies wiederum weitere Klimaextreme befördern?“ Mit anderen Worten: Verstärkt der Rückgang der Biodiversität das Ausmaß extremer Klimaereignisse? Wenn dem so wäre, und dafür gibt es bereits Hinweise, müsste eine gänzliche neue Forschungsagenda entwickelt werden.

Interdisziplinäre Forschungsansätze sind nötig

Dafür sind interdisziplinäre Forschungsansätze nötig. „Ökologen und Klimaforschende müssen eine gemeinsame wissenschaftliche Vision und Agenda ausarbeiten, sodass wir gut informiert sind – nicht nur über die Risiken, die der Rückgang der Biodiversität als Puffer gegen Klimaextreme mit sich bringt, sondern auch über das Risiko, Klimaextreme an sich zu verstärken“, schlussfolgern die Forschenden.

Die gute Nachricht ist: Methoden und Technologien zur Sammlung und Analyse von Daten sowie neuartige Messverfahren stehen uns zur Verfügung und bieten einzigartige Einblicke, wie Pflanzen auf Stress reagieren. Doch diese Daten müssen nun auch für die Erstellung von Vorhersagen genutzt werden. Helfen können dabei hochwertige Modellierungen, sogenannte digitale Zwillinge und künstliche Intelligenz. 

CBD COP 15 sollte Klima und Biodiversität gemeinsam beleuchten

Auf höchster politischer Ebene werden die Zusammenhänge zwischen Klimaextremen und dem Rückgang der Biodiversität bereits anerkannt. So erkennt etwa die Europäische Kommission die multifunktionale Bedeutung von Wäldern und deren Rolle bei der Regulierung atmosphärischer Prozesse sowie des Klimas formell an. Neue Beschlüsse zum Klimaschutz wurden vor wenigen Tagen im Rahmen der UN-Klimakonferenz COP 27 in Scharm-el-Scheich getroffen. Am 7. Dezember startet zudem die Weltnaturkonferenz CBD COP 15 in Montreal, bei der neue Abkommen zum Schutz der Biodiversität verabschiedet werden sollen. In ihrem Kommentar in Nature betonen die Forschenden, dass beide Themen im Zusammenhang betrachtet werden müssen: „Ökologen, Klimaforschende sowie Experten aus den Bereichen Remote Sensing, Modellierung und Daten müssen gemeinschaftlich daran arbeiten, unsere Wissenslücken zu füllen, so dass wir die Risiken, die vor uns liegen, vollumfänglich einschätzen können.“

Kati Kietzmann

 

 

Originalpublikation:

Miguel D. Mahecha, Ana Bastos, Friedrich Bohn, Nico Eisenhauer, Hannes Feilhauer, Henrik Hartmann, Thomas Hickler, Heike Kalesse-Los, Mirco Migliavacca, Friederike E.L. Otto, Jian Peng, Johannes Quaas, Ina Tegen, Alexandra Weigelt, Manfred Wendisch, Christian Wirth (2022). Biodiversity loss and climate extremes - study the feedbacks. Nature, DOI:

https://www.nature.com/articles/d41586-022-04152-y

 

 

Medienkontakte: 

Prof. Dr. Miguel Mahecha
Remote Sensing Centre for Earth System Research
Universität Leipzig
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
miguel.mahecha[at]uni-leipzig.de

Prof. Dr. Christian Wirth
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Abteilungsleiter Spezielle Botanik und Funktionelle Biodiversität an der Universität Leipzig
Fellow am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
cwirth[at]uni-leipzig.de

Kati Kietzmann
Abteilung Medien & Kommunikation
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
kati.kietzmann[at]idiv.de

 

Weitere Informationen und Links:

Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig: https://www.idiv.de/de/news/news_single_view/5028.html
Pressemitteilung der Universität Leipzig: https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/biodiversitaumlt-unter-extremem-klimastress-patrient-und-heiler-2022-11-30

 

 

Siehe auch:

Frankfurter Erklärung zum Weltnaturgipfel 2022 – initiiert von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und weiteren Leibniz-Instituten: https://frankfurter-erklaerung.eu/

 

 

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.

Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

http://www.leibniz-gemeinschaft.de

https://www.bmbf.de/

https://www.smwk.sachsen.de/

 

Derzeit können Forschende noch nicht vollständig erklären, weshalb manche Wälder oder Baumarten in bestimmten Gegenden auch extreme Klimaereignisse überleben, wohingegen anderswo ganze Waldabschnitte verschwinden.
Foto: Henrik Hartmann / Olaf Kolle, MPI-BGC