Mineralstaub beschleunigt Sulfatbildung in Wolken
Leipzig, 09.05.2013
Ergebnisse von Schmücke-Kampagne HCCT in SCIENCE veröffentlicht
Mainz/Leipzig. Metallionen aus natürlichem Mineralstaub katalysieren die Bildung von Sulfat in Wolken in höherem Maße als bisher angenommen. Dies berichtet ein internationales Forscherteam in der aktuellen Ausgabe von SCIENCE. DerKühlungseffekt von Sulfat auf das Klima der Erde könnte durch eine Neubewertung dieses bisher unterschätzten Reaktionsweges in Klimamodellen künftig deutlich geringer ausfallen.
Auf die Spur dieses bisher unterschätzen Reaktionsweges waren die Wissenschafterinnenund Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie, des Leibniz-Instituts fürTroposphärenforschung (TROPOS), der Colorado State University und der UniversitätMainz bei der Auswertung einer umfangreichen Meßkampagne gekommen, die im Herbst2010 auf und um den Berg Schmücke im Thüringer Wald chemische Prozesse bei der Wolkenbildung unter die Lupe genommen hatte. Dabei wurden auch verschiedene stabile Schwefelisotope wie 34S anaylsiert da die Reaktionen mit Schwefelbeteiligung zentral beider Entstehung von Wolken sind. Die Anlagerung von schwefelhaltigem Sulfat an Partikelnin der Luft ist ein Prozess, der entscheidend zur Wolkenbildung mit beiträgt und damit das Klima der Erde mit beeinflusst. Aus früheren Studien war bekannt, dass die gemessenen Konzentrationen von Sulfat und seinem chemischen Vorläufer Schwefeldioxid stark von den Konzentrationen aus Modellrechnungen abweichen. Es schien also ein Reaktionsweg bisher übersehen oderunterschätzt worden sein, nur welcher? "Bisher wurde angenommen, dassWasserstoffperoxid das wichtigste Oxidationsmittel für Schwefeldioxid sei und Übergangsmetallionen aus antropogenen Quellen als untergeordneter Katalysator bei derSchwefeldioxid-Oxidation wirken", erklärt Dr. Eliza Harris vom Max-Planck-Institut fürChemie in Mainz, die mittlerweile am Massachusetts Institute for Technology (MIT) in den USA arbeitet. "Unsere Ergebnisse zeigen jetzt aber, dass nicht die anthropogenen sondern die natürlichen Quellen für solcheMetallionen die entscheidenden sind und dassdies der dominierende Reaktionsweg bei der Sulfatproduktion in vielen Umgebungen seinkönnte." Damit wird klar: Mineralstaub, wie er beispielsweise aus Wüsten in die Atmosphäre gelangt, hat einen größeren Einfluß auf die Bildungswege von Sulfat alsbisher angenommen. Sulfat, das in diesem Reaktionsweg gebildet wird, lagert sich an dieMineralstaubpartikel an. Da diese relativ groß sind, werden sie zusammen mit dem darangebundenen Sulfat schnell aus der Atmosphäre ausgetragen. Sulfat aus anderenchemischen Bildungswegen lagert sich dagegen eher an kleine Partikel an, die länger inder Atmosphäre schweben, und kann somit seine Klimawirkung durch leichtere Wolkenbildung und stärkere Lichtstreuung besser entfalten. Hier liegt die Brisanz der berichteten Ergebnisse für das Klima der Erde. Möglicherweisemüssen sämtlicheKlimamodelle in diesem Punkt überarbeitet werden. Bisher berücksichtigt lediglich einesder zwölf bedeutendsten Klimamodelle den Reaktionsweg über Metallionen überhaupt –allerdings mit Reaktionsgeschwindigkeiten, die um den Faktor zehn bis einhundert zulangsam sind, so die Analyse der Mainzer Max-Planck-Forscher, die den Anteil diesesReaktionsweges anhand der Fraktionierungsfaktoren des Schwefelisotops abgeschätzthaben. Eliza Harris und ihre Kollegen schlussfolgern daraus, dass diese Reaktionmindestens ein Drittel zur kontinentalen Sulfatproduktion beiträgt. An der Kampagne „Hill-Cap Cloud Thuringia (HCCT-2010)“ hatten im Herbst 2010 insgesamt rund 50 Wolkenforscher aus Deutschland, Frankreich, England und den USAteilgenommen. „Ziel war es, mit speziellen Messmethoden die Veränderungen vonAerosolpartikeln bei der Aktivierung zu einer Wolke und nach dem Durchgang durch eineWolke zu untersuchen. In der Wolke laufen eine Vielzahl von chemischen Reaktionen ab,deren Produkte durch geeignete Messmethoden nachgewiesen werden können.Veränderungen der chemischen Zusammensetzung führen zu Veränderungen derphysikalischen Eigenschaften der Partikel, die durch die Experimente besser verstandenwerden sollen“, berichtet Dr. Dominik van Pinxteren vom TROPOS in Leipzig, der dieAuswertung der Experimente koordiniert. Durch die Vielzahl der Messgeräte und die hoheZeitauflösung entstanden eine große Menge an Daten, die teilweise auch zwei Jahre nachdem Experiment noch nicht vollständig ausgewertet sind und noch zu vielen weiterenwissenschaftlichen Publikationen führen werden. „Die jetzt in SCIENCE veröffentlichtenErgebnisse sind von großer Bedeutung für die Klimaszenarien, da alle Prognosen mitweiter steigenden Schwefeldioxid-Emissionen in den Kohleländern China und Indienrechnen, aber in diesen Ländern auch der Eintrag von Staub in die Atmosphäre besondersgroß ist“, erläutert Prof. Hartmut Herrmann vom TROPOS, der die Idee zu demGroßversuch hatte und die Kampagne geleitet hat. Die neuen Erkenntnisse zurbesonderen Bedeutung von Mineralstaub bei der Schwefeldioxid-Oxidation könnten dazuführen, dass der bisher angenommene starke Abkühlungseffekt des gebildeten Sulfatskünftig geringer eingeschätzt wird. Tilo Arnhold
Publikation:
Die Untersuchungen wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft(DFG), der Max-Planck-Gesellschaft, dem Max Planck Graduate Center und der NationalScience Foundation (NSF) der USA.
Weitere Infos: Dr. Eliza HarrisEAPS, Massachusetts Institute of Technologyhttp://eapsweb.mit.edu/people/elizah sowie Prof. Hartmut Herrmann, Dr. Dominik van Pinxteren, Dr. Andreas Tilgner, Dr. Khanneh Wadinga Fomba, Benjamin Fahlbusch, Dr. Stephan Mertes
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)Tel. 0341-2717-7024, -7029, -7178, -7033, -7089, -7143