Feinstaub ist gefährlicher als gedacht

Villigen/Zürich/Leipzig, 22.03.2021

Medienmitteilung des PSI zu Publikation des Paul Scherrer Instituts PSI mit ETH Zürich und TROPOS in Nature Communications.

 

 

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben zusammen mit ETH Zürich und TROPOS erstmals die fotochemischen Vorgänge im Innern kleinster Partikel in der Luft beobachtet. Dabei entdeckten sie, dass sich in diesen Aerosolen unter alltäglichen Bedingungen zusätzliche Sauerstoffradikale bilden, die der menschlichen Gesundheit schaden können. Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachjournal Nature Communications.

 

Dass Feinstaub die Gesundheit gefährden kann, ist bekannt. Die Partikel mit einem maximalen Durchmesser von 10 Mikrometern können tief ins Lungengewebe vordringen und sich dort festsetzen. Sie enthalten reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS), auch „Sauerstoffradikale“ genannt, die die Zellen der Lunge schädigen können. Je mehr Partikel in der Luft schweben, desto höher das Risiko. Die Partikel gelangen zwar auch aus natürlichen Quellen wie Wäldern oder Vulkanen in die Luft. Doch menschliche Aktivitäten, beispielsweise in Fabriken und Verkehr, vervielfachen die Menge, sodass bedenkliche Konzentrationen erreicht werden. Das Potenzial des Feinstaubs, Sauerstoffradikale in die Lunge zu bringen oder dort zu erzeugen, ist für verschiedene Quellen bereits untersucht worden. Die Forschenden haben dazu nun wichtige neue Erkenntnisse gewonnen.

Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass einige ROS im Körper des Menschen entstehen, wenn der Feinstaub sich in der Oberflächenflüssigkeit der Atemwege auflöst. Feinstaub enthält in der Regel chemische Bestandteile, etwa Metalle wie Kupfer und Eisen sowie bestimmte organische Verbindungen. Diese tauschen mit anderen Molekülen Sauerstoffatome aus und es entstehen sehr reaktionsfreudige Verbindungen wie Wasserstoffperoxid (H2O2), Hydroxyl (HO) oder Hydroperoxyl (HO2), die sogenannten oxidativen Stress verursachen. So greifen sie zum Beispiel die ungesättigten Fettsäuren im Körper an, die dann nicht mehr als Bausteine der Zellen dienen können. Auf solche Vorgänge führen Mediziner Lungenentzündungen, Asthma und diverse andere Atemwegserkrankungen zurück. Selbst Krebs könnte ausgelöst werden, da die ROS auch die Erbsubstanz DNA schädigen können.

 

Neue Erkenntnisse dank einmaliger Gerätekombination

 

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass gewisse ROS-Spezies auch bereits im Feinstaub der Atmosphäre vorliegen und als sogenannte exogene ROS über die Atemluft in unseren Körper gelangen, ohne dass sie sich dort erst bilden müssen. Wie sich nun herausstellt, hat man dabei noch nicht genau genug hingesehen: „Bisherige Studien haben mit Massenspektometern analysiert, woraus Feinstaub besteht“, erklärt Peter Aaron Alpert, Erstautor der neuen PSI-Studie. „Dabei erhält man aber keine Informationen über die Struktur der einzelnen Partikel und darüber, was in ihrem Inneren vorgeht.“

Alpert dagegen nutzte die Möglichkeiten des PSI für einen präziseren Blick: „Mit dem brillanten Röntgenlicht der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS konnten wir solche Partikel nicht nur einzeln mit einer Auflösung von unter einem Mikrometer betrachten, sondern sogar in sie hineinschauen, während Reaktionen darin ablaufen.“ Dazu verwendete er auch eine neuartige, am PSI entwickelte Zelle, in der sich verschiedenste atmosphärische Umweltbedingungen simulieren lassen. Sie kann Temperatur, Feuchte sowie Gasexposition genau regulieren und eine UV-LED-Lichtquelle ahmt die Sonneneinstrahlung nach. „Diese Kombination – hochauflösendes Röntgenmikroskop und Zelle – gibt es nur einmal auf der Welt“, sagt Alpert. Die Studie sei deshalb nur am PSI möglich gewesen. Eng zusammengearbeitet hat er dafür mit dem Leiter der Gruppe Oberflächenchemie am PSI, Markus Ammann. Unterstützt haben ihn außerdem Forschende um die Atmosphärenchemiker Ulrich Krieger und Thomas Peter an der ETH Zürich, wo zusätzliche Experimente mit in der Schwebe gehaltenen Partikeln gemacht wurden, sowie Experten um Hartmut Hermann vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig.


(Text: Jan Berndorff )

 

 

Mehr dazu in der Medienmitteilung des PSI:

http://psi.ch/node/44397

 

 

 

Publikation:

Photolytic Radical Persistence due to Anoxia in Viscous Aerosol Particles
Peter A. Alpert, Jing Dou, Pablo Corral Arroyo, Frederic Schneider, Jacinta Xto, Beiping Luo, Thomas Peter, Thomas Huthwelker, Camelia N. Borca, Katja D. Henzler, Thomas Schaefer, Hartmut Herrmann, Jörg Raabe, Benjamin Watts, Ulrich K. Krieger, Markus Ammann
Nature Communications, 19.03.2021
DOI: 10.1038/s41467-021-21913-x

https://doi.org/10.1038/s41467-021-21913-x

 

 

 

Kontakt/Ansprechpartner

Prof. Dr. Markus Ammann
Leiter der Forschungsgruppe Oberflächenchemie
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
https://www.psi.ch/de/luc/people/markus-ammann
[Deutsch, Englisch]

 

Dr. Peter Aaron Alpert
Forschungsgruppe Oberflächenchemie
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
https://www.psi.ch/de/luc/people/peter-aaron-alpert  
[Englisch]

 

sowie

 

Prof. Hartmut Herrmann
Leiter der Abteilung Chemie der Atmosphäre
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/hartmut-herrmann
[Deutsch, Englisch]

 

Dr. Thomas Schaefer
Postdoc in Abteilung Chemie der Atmosphäre
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/thomas-schaefer
[Deutsch, Englisch]

 

 

 

 

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.
Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
http://www.leibniz-gemeinschaft.de
https://www.bmbf.de/
https://www.smwk.sachsen.de/

 

Peter Aaron Alpert vom PSI analysiert die Vorgänge in feinsten Partikeln in der Luft. Bereits in der Atmosphäre bilden sich darin gesundheitsschädliche Substanzen, nicht erst im menschlichen Körper. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer