Vom Meer über die Luft in den Niederschlag: Viren-Route nachgewiesen.

Leipzig, 27.10.2023

Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen (UDE)

 

 

Duisburg/Essen/Leipzig. Wie Mikroben sich über den natürlichen Wasserkreislauf verbreiten, konnte Umweltmikrobiologin Dr. Janina Rahlff von der Universität Duisburg-Essen (UDE) mit einem internationalen Team erstmals nachvollziehen. Ihre Ergebnisse sind in Nature Communications veröffentlicht.

Wolkenforschende des TROPOS untersuchten dabei, ob diese Viren aus dem Meer eisaktiv sind und zur Wolkenbildung beitragen.

 

Mikroben bewegen sich zwischen dem marinen und den atmosphärischen Ökosystemen, also Meer sowie Luft und Niederschlägen, hin und her. Bisher fehlte jedoch der Nachweis des kompletten Kreislaufs für die mikrobiologische Verbreitung. Dieser ist UDE-Biologin Dr. Janina Rahlff mit Kolleg:innen aus Deutschland und Italien gelungen. Vier Wochen hatten die Forschenden im schwedischen Tjärnö Meerwasser, Meeresoberflächenfilm und -schaum sowie bodennahe Aerosole und Regen gesammelt. Mithilfe metagenomischer Untersuchungen fanden sie gleiche Viren in allen untersuchten Ökosystemen. „Außerdem konnten wir ein exemplarisches Virusgenom anhand seiner Mutationsmuster verfolgen und so seinen Weg entlang des natürlichen Wasserkreislaufes nachvollziehen“, erklärt Rahlff.

Den Kreislauf beschreibt sie so: „In den obersten Zentimetern des Meeres, inklusive dem etwa einen Millimeter dicken Meeresoberflächenfilm, sind die sogenannten Neuston-Organismen und -Viren zuhause. Sie werden besonders leicht in Aerosole übertragen. Aerosole wiederum dienen als Keime für die Kondensation von Wasserdampf und sind ausschlaggebend bei der Wolkenbildung in der Atmosphäre. Aus den Wolken fällt wiederum Niederschlag wie Regen oder Schnee.“

Die Forschenden stellten fest, dass Meeres-Viren und mikrobielle Wirte eher im Regen vorkamen, wenn die Luftmassen zuvor mehr Zeit über dem Ozean verbracht hatten. Auffällig war auch der hohe Anteil der Basen Guanin (G) und Cytosin (C) in der DNA vieler Viren aus der Luft und vor allem aus Regen. „Diese Viren fanden sich zwar größtenteils nicht im Meer. Die Immunsysteme mikrobieller Wirte dort hatten sich aber schon einmal mit ihnen auseinandergesetzt“, so Rahlff. „Die Viren aus dem Regen hatten also eine Art Fußabdruck im Meer hinterlassen.“

In der Luft befindliche Meeresviren können als eiskeimbildende Partikel (INPs) dienen und als Katalysatoren die Gefrierprozesse in der Atmosphäre beeinflussen. INPs kommen im Oberflächenfilm der Ozeane vor und spielen eine wichtige Rolle bei der Wolkenbildung, der Wolkenalbedo und dem Niederschlag und sind somit von zentraler Bedeutung für das Klima. Der Niederschlag könnte eine unterschätzte Quelle von Mikroorganismen für die der Erdoberfläche sein. „Die meisten Eiskeime fanden wir in den Proben aus dem Meeresschaum, gefolgt von Oberflächenfilm und Oberflächenwasser. Die Eiskeimbildungsaktivität begann bei allen Proben bei relativ hohen Temperaturen um -5 °C, vergleichbar mit den Beobachtungen für Mikroorganismen in der Atmosphäre. Das zeigt, dass die Meeresviren zu Wolkenbildung und Niederschlag beitragen können. Wenn sie anschließend mit dem Niederschlag auf dem Land niedergehen, können sie über das Regenwasser in Kontakt mit den Menschen geraten“, berichtet Dr. Heike Wex vom TROPOS.

 

 

Publikation:

Rahlff J., Esser S.P., Plewka J., Heinrichs M.E., Soares A., Scarchilli C., Grigioni P., Wex H., Giebel H.A., & Probst A.J. (2023). Marine viruses disperse bidirectionally along the natural water cycle. Nature Communications, https://doi.org/10.1038/s41467-023-42125-5

Die Studie wurde gefördert von der Europäischen Union (MIDSEAS (Microbial dispersal from air to sea and snow) project by ASSEMBLE PLUS (European Union’s Horizon 2020 research and innovation program, Grant Agreement No. 730984) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR; project DISPERS (50WB1922) sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG RA3432/1-1, project number 446702140 and WBP Return Grant RA3432/1-3, project number 534276621; PhD research-training group “The Ecology of Molecules” (EcoMol) within the TRR 51 Collaborative Research Center (CRC) “Roseobacter”; CRC TRR 51, grant/award no. 34509606; PR1603/2-1), Aker BP (within the framework of the GeneOil Project) und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (“Nachwuchsgruppe Dr. Alexander Probst”).

 

 

 

Kontakte für die Medien:
 

Dr. Janina Rahlff,
Aquatische Mikrobielle Ökologie (GAME), Universität Duisburg-Essen, janina.rahlff[at]uni-due.de
jetzt: Friedrich-Schiller-Universität Jena

und

Dr. Heike Wex,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung Atmosphärische Mikrophysik, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49 341 2717-7146
https://www.tropos.de/institut/ueber-uns/mitarbeitende/heike-wex

 

sowie

Cathrin Becker,
Ressort Presse, Universität Duisburg-Essen,
Tel. 0203/37 9-2131, cathrin.becker[at]uni-due.de
https://www.uni-due.de/de/presse/becker.php

und

Tilo Arnhold,
Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS)
Tel. +49 341 2717-7189
http://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/

 

 

Weitere Informationen und Links:

 

Gruppe für Environmental Metagenomics an der Universität Duisburg-Essen:
https://www.uni-due.de/probst-lab/

TROPOS-Studien zu Atmosphärischen Eiskeimkonzentrationen
https://www.tropos.de/forschung/aerosol-wolken-wechselwirkungen/prozessstudien-auf-kleinen-zeit-und-raumskalen/aerosol-und-wolken-mikrophysikalische-prozesse/atmosphaerische-eiskeimkonzentrationen

TROPOS-Off-Line Messungen von INP
https://www.tropos.de/forschung/grossprojekte-infrastruktur-technologie/technologie-am-tropos/physikalische-instrumente/off-line-messungen-von-inp

 

 

Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen.

Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Gesamtetat der Institute liegt bei 2 Milliarden Euro. Finanziert werden sie von Bund und Ländern gemeinsam. Die Grundfinanzierung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) getragen. Das Institut wird mitfinanziert aus Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

http://www.leibniz-gemeinschaft.de

https://www.bmbf.de/

https://www.smwk.sachsen.de/

 

Um den obersten Film des Meeres zu sammeln, wird eine Glasplatte ins Wasser getaucht.
Foto: Sarah Eßer, UDE