Abb. 1: Konvektive Wolke mit entstehender Eisphase.

Unter atmosphärischen Bedingungen bilden sich Wolkentropfen, wenn die Luft bezüglich Wasser ge- bzw. übersättigt ist. Das überschüssige Wasser bildet dabei keine reinen Wassertropfen, sondern setzt sich auf sog. Wolkenkondensationskeimen (CCN, engl. Cloud Condensation Nuclei) ab. Ob ein Partikel unter den jeweiligen Umständen als CCN dienen kann, hängt sowohl von den Partikeleigenschaften (insbesondere Größe und chemische Zusammensetzung) als auch von der atmosphärischen Dynamik (hauptsächlich der Vertikalgeschwindigkeit) ab. Nahezu alle luftgetragenen Teilchen oberhalb einer gewissen Größe (50-80 nm) sind potentielle CCN. Im Allgemeinen steigt die Anzahl an Tropfen in einer Wolke wenn

  • die CCN-Anzahl steigt

  • die Partikel größer werden

  • die Partikel wasserlöslich sind

  • die Aufwindgeschwindigkeit steigt

Änderungen in der Wolkentropfenbildung beeinflussen Wolkeneigenschaften wie z.B. die Streuung von solarer Strahlung und die Niederschlagsbildung durch Koaleszenz. Mit Hilfe mikrophysikalischer Modelle (z. B. SPECS) kann untersucht werden, inwiefern eine Wolke auf Änderungen in der Aerosolpopulation reagiert (z. B. hinsichtlich Tropfenanzahl, Flüssigwassermasse, Niederschlag etc.).

Die detaillierte Beschreibung der Wolkenmikrophysik wird mit einem spektralen Ansatz realisiert (Simmel et al., 2002; Simmel und Wurzler, 2006). Das bedeutet, dass die Spektren der Hydrometeore (Aerosolpartikel, Tropfen, Eisteilchen) hinsichtlich ihrer Masse fein aufgelöst werden (z. B. 66 Größenklassen für den Bereich von 1 nm bis mehrere mm). Auf diese Weise können die relevanten mikrophysikalischen Prozesse der flüssigen (Tropfennukleation, Kondensation, Koaleszenz, Tropfenzerplatzen) und festen (Eisnukleation, Gefrierprozesse, Bereifen) Phasen größtenteils explizit beschrieben werden, d.h. es muss nicht auf Parametrisierungen zurückgegriffen werden.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung der Eisnukleation. Unterkülte Wassertropfen gefrieren in der Atmosphäre typischerweise erst bei Temperaturen von -35 °C bis -40 °C und niedriger durch homogene Nukleation. Eisteilchen werden jedoch bereits bei wesentlich wärmeren Bedingungen beobachtet (teilweise nur wenige Grad unter 0 °C, häufig ab -15 °C und kälter), die durch heterogene Eisnukleationsprozesse entstehen, d.h. unter Mitwirkung meist unlöslicher Partikel, die als 'ice nucleating particles' (INP) bezeichnet werden. In der Atmosphäre sind vier dieser Prozesse relevant: Depositions-, Kondensations-, Immersions- und Kontaktgefrieren. Darunter sind die Prozesse Immersionsgefrieren und Kontaktgefrieren typischerweise am effizientesten. Beim Immersionsgefrieren wird das Gefrieren durch ein INP ausgelöst, das sich innerhalb eines unterkühlten Tropfens befindet, während beim Kontaktgefrieren ein unterkühlter Tropfen mit einem geeigneten INP kollidiert und somit das Gefrieren von außen initiiert wird. Die Gefriertemperaturen und -effizienzen hängen in hohem Maße vom Typ der jeweiligen INP ab. So sind biologische Partikel insbesondere beim Immersionsgefrieren deutlich effektiver als mineralische Partikel oder Ruß. Das Kontaktgefrieren setzt typischerweise bei noch wärmeren Temperaturen ein, und die Unterschiede zwischen biologischen und mineralischen INP sind geringer (Diehl und Wurzler, 2005; Diehl et al., 2006).

Als Untersuchungen werden sowohl Sensitivitätsstudien als auch realitätsnahe Simulationen durchgeführt. Die Wolkenmikrophysik kann (auch aufgrund des hohen Rechenzeitbedarfs aufgrund der vielen Variablen und aufwändigen Prozessbeschreibungen) im Rahmen eines Luftpaketmodells beschrieben werden. Allerdings wurde die spektrale Mikrophysik auch in ein zylindersymmetrischen Asai-Kasahara-Modell (Simmel et al., 2015) sowie in das COSMO-Modell des Deutschen Wetterdienstes (DWD) implementiert (Grützun et al., 2008).

Die aktuellen Bestrebungen in der Mikrophysik-Modellentwicklung sind darauf gerichtet, den Realitätsgrads der Modellsimulationen immer weiter zu erhöhen, um damit den Vergleich zu Messungen mittels moderner Fernerkundungsverfahren zu ermöglichen. Die realistischen Modelle besitzen einen hohen Komplexitätsgrad und erlauben vielfältige Interaktionen zwischen Aerosol, Wolkentropfen und Wolkeneis, welche die Bildung von Niederschlag beeinflussen. Sowohl für CCN als auch für INP kann so die Wichtigkeit des Aerosoleinflusses auf die Wolkenmikrophysik mit anderen Antriebskräften wie der zugrundeliegenden generellen Dynamik, der Turbulenz oder anderer Einflüsse zu vergleichen werden.

Abb. 2: Abhängigkeit der Wolkentropfenanzahl von der Anzahl an Kondensationskeimen (CCN) und Vertikalgeschwindigkeit bei gegebener CCN-Größenverteilung und chemischer Zusammensetzung.

Abb. 3: Zeitliche Entwicklung des Spektrums des kombinierten Tropfen- und Eiskristallmassenmischungsverhältnisses für einen Modelllauf zur CyCare-Kampagne. Während sich die Wolkentropfen und -eiskristalle (1-100 µm) in etwa 3-7 km befinden, sieht man am rechten Rand des Spektrums große Tropfen und Eiskristalle (> 100 µm), die hinreichende Fallgeschwindigkeiten erreichen können und so als Niederschlag den Erdboden erreichen.