Oft beleuchten Simulationsmodelle jeweils nur einzelne Facetten eines Gesamtsystems. Werden sie gekoppelt, können durch die Einbeziehung der Wechselwirkungen dieser verschiedenen Aspekte die untersuchten Systeme detaillierter abgebildet werden. Die Bedeutung einzelner Quell-, Transport- und Umwandlungsprozesse von Aerosolen und Spurengasen sowie deren Interaktion mit Strahlung und Wolken können abschließend erst durch Integration entsprechender Prozessbeschreibungen in regionale und globale Atmosphärenmodelle abgeschätzt werden. Modellkopplungen stehen am Anfang skalenübergreifender Simulationen – von der Partikelbildung bis zur interkontinentalen Ausbreitung und von der Tropfenaktivierung bis zur Niederschlagsbildung.

Das TROPOS arbeitet an der Kopplung mehrerer Modellsysteme auf regionaler und globaler Skala. Numerische Vorarbeiten umfassen die Untersuchung unterschiedlicher Strategien zur Online-Kopplung und Lastbalancierung. Die Kopplungsschemen sollen dabei sowohl eine hohe Flexibilität gewährleisten als auch Rückkopplungseffekte zwischen den Modellen berücksichtigen. Schlüssel dazu ist ein hoher Grad an Modularisierung. Ziel ist außerdem bei einem Minimum an Eingriffen ins Host-Modell und getrennten Datenstrukturen eine bestmögliche Ausnutzung der Infrastruktur des Host-Modells, z.B. für Ein- und Ausgabe.

ECHAM-HAMMOZ und ICON-HAM

Das Aerosol-Chemie-Klima-Modell ECHAM-HAMMOZ wird zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Klima und Aerosolen eingesetzt. ECHAM-HAMMOZ wird von einem internationalen Konsortium entwickelt, das derzeit von TROPOS geleitet wird. Unser Fokus liegt vor allem auf der Weiterentwicklung von Aerosolparametrisierungen. Wir gestalten den Übergang zum neuen Aerosol-Klimamodell ICON-A-HAM2.3 mit, bei dem das Aerosolmodul HAM2.3 an das neue atmosphärische allgemeine Zirkulationsmodell ICON-A gekoppelt ist. Innerhalb der HAMMOZ-Community wurde die ICON-Schnittstelle für das Aerosol-Chemie- und Mikrophysik-Paket HAM umgesetzt, federführend durch Arbeiten am Leipziger Institut für Meteorologie (LIM).

Schematische Darstellung der Kopplung des Aerosolmoduls HAM2.3 an das Klimamodell ICON-A über die Submodell-Schnittstelle mit den Namen der HAM2.3-Schnittstellenroutinen (rot) und der ICON-A-Routinen/Einstiegspunkte. Marc Salzmann (LIM, Universität Leipzig).

COSMO-MUSCAT und ICON-MUSCAT

Das am TROPOS entwickelte MUltiScale-Chemistry-Aerosol-Transport-Modell MUSCAT wurde an das vormals operationelle Wettermodell des Deutschen Wetterdienstes DWD gekoppelt. COSMO-MUSCAT beschreibt die Dynamik und Umwandlung von Aerosolpartikeln und relevanten Spurengasen und ermöglicht die Rückkopplung von modelliertem Aerosol auf Wolkenbildung und Strahlung. Das online gekoppelte Modellsystem wird seit mehr als 15 Jahren für Luftqualitätsanwendungen und Prozessstudien erfolgreich eingesetzt, z.B. zur Untersuchung von sekundärer Aerosolbildung, Mehrphasenchemie sowie Aerosol-Wolken- und Strahlungsinteraktionen. Inzwischen existiert eine Modellversion, in der MUSCAT mit der aktuellen Vorhersageversion des Wetter- und Klimamodells ICON gekoppelt ist. MUSCAT nutzt eine eigene, analog zum ICON gestaltete Datenstruktur und separate Zeitsschrittsteuerung. Vom Host-Modell ICON werden Teile der Infrastruktur wie das Gitter, das Online Nesting und Routinen für Input und Output, Verwaltung und Prozessierung verwendet. Nachdem erste Luftqualitätssimulationen mit detaillierter Gasphasenchemie realisiert wurden, konzentriert sich die Entwicklung insbesondere auf die Performance-Optimierung und Evaluierung von ICON-MUSCAT. Die Rückkopplung modellierten Aerosols Wolkenmikrophysik und Strahlung soll in einem nächsten Schritt implementiert werden.

Kopplungsschema des multiskaligen Chemie-Transport-Modells ICON-MUSCAT. ICON Teil mit Zeitintegrationsschleife, innerhalb derer das MUSCAT Interface gerufen wird (blau). Prozesse in ICON mit Schnittstellen zur MUSCAT Modellstruktur (grün umrandet). MUSCAT Teil mit gesplitteter Zeitintegration (grün). Genutzt wird ein Runge Kutta Verfahren sowie ein Rosenbrock Verfahren für den impliziten Teil (orange umrandet).

Schema für die Modellkopplung von ICON-MUSCAT.

ICON-GETM

Der küstennahe Auftrieb und die Luft-Meer-Flüsse von Impuls werden stark von der reduzierten Meeresoberflächentemperatur beeinflusst, mit signifikanten Rückkopplungen vom oberen Ozean zur unteren Atmosphäre. Die Untersuchung dieser dynamischen Rückkopplungen mit quantitativen Auswirkungen auf die Vorhersagbarkeit von küstennahen ozeanischen und regionalen atmosphärischen Modellsystemen erfordert ein gekoppeltes Ozean-Atmosphärenmodell. Mit dem geographischen Fokus auf die westliche Ostsee wurde in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) das zwei-Wege-gekoppelte Atmosphäre-Ozean-Modell ICON-GETM entwickelt. ICON-GETM basiert auf der neuesten Kopplungssoftware NUOPC mit flexiblem Datenaustausch und konservativer Interpolation über ESMF-Austauschgitter. In einer ersten Anwendung wurde ein komplexes und episodisches Auftriebsereignis in der westlichen Ostsee im Sommer 2012 simuliert und analysiert.

Aufbau des gekoppelten Atmosphären-Ozean-Modells ICON-GETM.

Die Gitter des Atmosphärenmodells ICON (links, 2,5 km Gitterweite) und des Ozeanmodells GETM (rechts, 600 m Gitterweite), die über ESMF-Austauschgitter und der Kopplungssoftware NUOPC gekoppelt werden.